Mahmoud hat einen Lebensmittelladen eröffnet. Obwohl er gerade erst begonnen hat, läuft das Geschäft schon so gut, dass er grössere Mengen bei seinem deutschen Lieferanten Hans, der bereits seit 25 Jahren in Luxemburg arbeitet, bestellen muss.
Mahmoud: Ich möchte gerne eine vertrauensvolle Beziehung zu Hans aufbauen, ihn besser kennenlernen. Das ist höflich, freundlich und gut für das Geschäft. Deswegen habe ich ihn nach seiner Familie, nach Fussball, nach Hobbies gefragt, einfach versucht, mit ihm über dies oder jenes zu sprechen.
Hans: Mahmoud ist ein neuer Kunde hier in der Gegend. Er hat einen kleinen Laden, der gut geht. Ich arbeite gerne mit ihm, er ist zuverlassig und ehrlich. Aber neulich hat er mich auf einmal nach Familie und Fussball gefragt, das fand ich seltsam. Er ist mein Kunde, nicht mein Freund. Ich bin einfach weggegangen.
Was ist passiert?
In Mahmouds Wahrnehmung gehört es sich, erst eine freundliche und vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, bevor er bessere Geschäftsbedingungen wie zum Beispiel niedrigere Preise aushandeln kann. In seiner Welt bedeutet ein Geschäft zu betreiben, dass Menschen sich gegenseitig einen Gefallen tun. Je besser man sich kennt, desto grösser werden die Gefallen.
Für Hans hat eine Geschäftsbeziehung nichts mit der persönlichen Beziehung zu tun. Es ist vielmehr eine geschäftiche Transaktion zwischen zwei Parteien. Persönliche und geschäftliche Beziehungen werden nicht vermischt und Hans wundert sich womöglich, warum Mahmoud so aufdringlich ist.
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?
Wenn Mahmoud bessere Preise aushandeln möchte, kann er Hans einfach fragen, unter welchen Umständen er bessere Konditionen anbietet und Hans wird ihm eine korrekte Antwort geben. Um in Luxemburg Geschäfte zu machen, besonders mit deutschen Geschäftspartnern, sollte Mahmoud verstehen, dass Geschäftsbeziehungen, Konditionen, Rabatte usw. normalerweise nicht wie in seinem Heimatland individuell, sondern nach für die ganze Firma geltenden Regeln verhandelt werden, die meist vom Volumen abhängen.
Hans könnte im Gegenzug sehen, dass es interessant sein kann, Mahmoud kennenzulernen, und mit ihm auch über andere Dinge als die Arbeit zu sprechen. Er könnte dann auch erklären, dass dies keine Auswirkung auf das Geschäft hat.
Erklärung
Luxemburg und Deutschland sind individualistische Kulturen (IDV +). In einer individualistischen Kultur reden die Menschen miteinander und betreiben ihre Geschäfte auf Grundlage der konkreten Aufgabe oder eines speziellen Bedarfs. Der Abschluss eines Geschäfts setzt keine persönlichen Beziehungen voraus. Jede berufliche Interaktion findet im Geschäft statt und geschäftliche Dinge werden nicht bei anderen, persönlichen Begegnungen diskutiert, geschäftliches wird von persönlichem getrennt.
In kollektivistischen Ländern (IDV -) wird jeder Geschäftsvorgang durch eine persönliche Beziehung vereinfacht – die Auswahl der Geschäftspartner wird durch das soziale Netzwerk ebenso vorherbestimmt wie die Konditionen eines Geschäftsabschlusses. Wenn man bessere Konditionen haben möchte, benötigt man eine bessere persönliche Beziehung zum Geschäftspartner. Daher sind der geschäftliche und private Umgang zwischen den Menschen klar miteinander verflochten.