Nabil spielt schon sein ganzes Leben lang Fussball. In der Schule, auf der Strasse und in einem Fussballclub in Syrien. Er zeigt sehr viel Talent, sodass sein Vater ihn auch in Luxemburg bei einem Fussballclub angemeldet hat.
Nabil: Ich spiele gerne Fussball und seit wir aus Aleppo weg sind, fehlt mir das spontane Ballspielen auf der Strasse mit meinen Freuden. Ich war froh, hier in einem Club mitspielen zu können. Mein Vater sagte, ich müsste nur tun, was der Trainer sagt, dann würde er selbst sehen, dass ich gut bin. Der Trainer fragte, auf welcher Position ich spielen wollte und sagte dann nur “Ist gut!” Er gab weiter keine Anweisungen und stand nur mit verschränkten Armen an der Seitenlinie. Stattdessen gab es aber viel Kritik von den Teamkameraden. Das macht mir keinen Spass mehr.
Trainer:
Nabil ist ein guter Spieler mit guten Qualitäten als Einzelspieler. Er braucht nicht viel Hilfe von mir. Auch geben sich die Spieler gegenseitig Feedback, so bauen wir ein starkes Team auf. Aber manchmal scheint Nabil aufzugeben, als ob er keine Kritik vertragen kann!
Was ist passiert?
Nabil war daran gewöhnt, konkrete Anweisungen vom Trainer zu bekommen. Er wartete auf ihn und schaute zu ihm hinüber, um zu sehen, ob er etwas verpasst hatte. Der Trainer aber war ruhig und erlaubte den Spielern auf dem Feld, sich gegenseitig zu „coachen”. Das waren meistens eher schroffe und schmerzhafte Kommentare. Der Trainer möchte, dass die Spieler auf dem Feld Initiative zeigen, weil er glaubt, nicht jede Situation vorhersehen zu können. Er möchte, dass die Spieler schnell reagieren können und sich gegenseitig helfen. In Wirklichkeit sind die gegenseitigen „Hilfen” der Spieler nicht verletzend gemeint.
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?
Es wäre sinnvoll, wenn Nabil sich an die Kommentare seiner Teamkameraden gewöhnen könnte. Er könnte versuchen, sie als Ratschläge zu verstehen, die nicht böse gemeint sind. Er könnte auch seine eigene Meinung über seine Teamkollegen zum Ausdruck bringen: vielleicht kann er nützliche Beobachtungen mitteilen, die helfen, das Team weiter nach vorne zu bringen. Der Trainer könnte seinerseits Nabil erzählen wie er arbeitet (und warum): diese Erklärung würde die Situation für Nabil sehr viel klarer machen.
Erklärung
Luxemburg hat eine egalitäre und individualistische Kultur (PDI – and IDV +). Die Luxemburger möchten ihre Teamkameraden „bissig” halten, d.h. fokussiert, um ein besseres Teamergebnis zu erzielen. Derbe Sprüche werden im Eifer des Gefechts in Kauf genommen, sind aber weder persönlich noch verletzend gemeint und schnell vergessen, sobald die Emotionen nach dem Spiel wieder abgekühlt sind. Sich an diese Direktheit der Luxemburger zu gewöhnen, ist eine besondere Herausforderung für Immigranten. Sie sehen es häufig als persönliche Beleidigung an, während die Luxemburger glauben, dass ihre „Ehrlichkeit” (d.h. Direktheit, Unverblümtheit) der beste Weg ist, einem anderen zu helfen.