Nach kurzer Zeit kennt Mahmoud schon die meisten seiner Nachbarn, beinahe alle sind Deutsche.
Mahmoud: Unsere neuen Nachbarn sind sehr freundlich. Wenn ich sie auf der Strasse oder im Supermarkt sehe, reden wir kurz. Manche Nachbarn fragen nach meinem Land und meiner Familie die noch da ist. Das freut mich. Einmal habe ich eine Nachbarin mit ihrer Familie zu uns eingeladen, ich wollte für sie echte syrische Linsensuppe kochen. Sie waren noch nicht da, haben nicht mal geantwortet.
Nachbarin: Wir hören viel über Syrien in den Nachrichten, wenn ich Mahmoud sehe, dann frage ich nach seiner Familie, die noch da ist. Einmal hat er mich dann einfach zu sich nach Hause zum Essen eingeladen. Meine Familie sollte ich auch mitbringen. Ich kenne ihn kaum und war sehr überrascht. Ich sagte, wir melden uns, aber ich weiss gar nicht wie ich reagieren soll. Ich rede kaum noch mit ihm.
Was ist passiert?
Mahmoud hat die Nachbarn eingeladen, weil er meinte, dass ihr Interesse zu einer guten Freundschaft zwischen Nachbarn führen könnte. Das Abendessen würde das Bindung stärker machen und die Familie mit einschliessen. In Deutschland wird unterschieden zwischen Bekannten (in der Schule, auf der Arbeit, in Geschäften) und Freunden. Freunde werden nach Hause eingeladen, Bekannte aber nicht so oft. Mahmoud wollte seine Nachbarn besser kennenlernen und ein freundschaftliches Verhältnis aufbauen, das war für die deutschen Nachbarn aber zu schnell.
Mögliche Lösungen
Die deutschen Nachbarn können natürlich die Einladung annehmen. Oft sind solche Einladungen tatsächlich der Beginn von guten Freundschaften. Es kann aber auch sein, dass sich sich dann gedrängt fühlen, auch Mahmouds Familie zu sich einzuladen. Dann könnten sie ein Picknick vorschlagen, zu dem beide Familien traditionelles Essen mitbringen.
Erklärung
Deutschland kennt eine individualistische Kultur. Viele Deutsche unterscheiden zwischen öffentlichem Leben (Arbeit, Schule, Sport usw.) und Privatleben (Freunde und Familie). Das öffentliche Leben findet außerhalb des eigenen Hauses statt, man trifft sich in Cafes, Restaurants, oder beim Einkaufen. Nur Freunde und Familie werden nach Hause eingeladen. Und nur Freunde werden der Familie vorgestellt, Bekannte nicht. Ein Gespräch über Familie macht aus Nachbarn noch keine Freunde. In einer kollektivistischen Kultur ist ein gemeinsames Essen ein Schritt zu einer guten Beziehung, vielleicht sogar Freundschaft, vor allem wenn die ganze Familie dabei ist.